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Digitale Transformation – Chancen für Schweizer KMUs?

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Umfrage bei KMUs zeigt: Innovationsbereit und doch zögerlich – in Sachen «Digitaler Transformation» stehen viele KMUs vor grossen Herausforderungen.

Die Universität St. Gallen hat in Zusammenarbeit mit ValueOn eine Fachstudie bei Schweizer KMUs zum Thema «Digitale Business Transformationen» durchgeführt.

In Zusammenhang mit der Studie hat Prof. Dr. Andrea Back, Professorin für Wirtschaftsinformatik an der Universität St. Gallen (HSG) sowie Direktorin des IWI-HSG, anlässlich des 40. #Competence Calls über die Ergebnisse der Studie wie auch über weiterführende Erfahrungen berichtet. Wir haben in Folge die wichtigsten Aussagen des Online-Fachgesprächs sowie die zentralen Ergebnisse der Studie in diesem Blogbeitrag zusammengefasst.

ABack-IWI-HSG 400x400Hinweis: Die Fachstudie wurde im 4. Quartal 2022 durchgeführt und umfasste eine Online-Umfrage bei KMUs sowie persönliche Interviews. Bemerkenswert war, dass die Rücklaufquote der Online-Fragebögen bei etwa 20% – und damit ca. zehnmal höher als im Durchschnitt – lag, woraus sich ein grosses Interesse der angeschriebenen Unternehmen an diesem Themengebiet ableiten lässt.

Wo liegen gemäss der Studie die grossen Herausforderungen der KMUs, wenn es um das Thema Digitale Transformationen geht?

 Prof. Dr. Andrea Back: Grundsätzlich hat die durchgeführte Fachstudie gezeigt, dass sich die grossen Herausforderungen, vor denen KMUs aktuell stehen, wenn es um Digitale Transformationen geht, in vier Bereiche zusammenfassen lassen:

  1. Fehlende Überzeugung. Das betrifft natürlich insbesondere die Führungsriege und das Management der Unternehmen.
  2. Fehlende Veränderungsbereitschaft. Digitale Transformationen sind strategische Projekte, die konsequenterweise auch Veränderungen und Risiken mit sich bringen, und das stösst nicht immer und überall auf Begeisterung.
  3. Organisationale Rahmenbedingungen. Es müssen im Zuge der Transformation auch die organisatorischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit eine Transformation gelingen kann.
  4. Fehlendes Wissen. Dieser Punkt umfasst nicht nur die eigentliche Fachkompetenz, sondern auch das generelle Verständnis für eine digitale Transformation und digitales Knowhow.
 
« Der allgemeine Nutzen von Beratungsdienstleistung im Rahmen von Digitalen Transformationen wird in der Studie mit 84% als sehr hoch bewertet. »

Wie sehen Ihre persönlichen Erfahrungen dazu aus?

Ein grosser Knackpunkt ist meines Erachtens – und das gilt für alle Unternehmen, aber insbesondere auch KMUs – die richtige Antwort zu finden auf die Frage: Wann sollen wir loslegen? Ist es ratsam früher zu starten oder lieber erstmal abzuwarten? Die Studie hat gezeigt, dass grundsätzlich eine grosse Innovationsbereitschaft zu erkennen ist. Doch wann bewertet die Führungsriege eine Digitale Transformation als dringlich?  

Aus meiner persönlichen Sicht ist es kein guter Rat einfach abzuwarten und bei anderen zu schauen, wie die es gemacht haben. Ganz im Sinne von Copy & Paste. Digitale Transformationen finden immer auf ganz verschiedenen Ebenen statt, und das muss man schlichtweg trainieren und dabei auch Erfahrungen sammeln. Es geht darum, eine ausreichende digitale Fitness zu erlangen und eine gute Ausgangsbasis zu schaffen. Man kann auch nicht als Sportler zu einem grossen Wettbewerb antreten ohne vorher gut trainiert und sich vorbereitet zu haben. Das haben aus meiner Sicht viele Unternehmen noch nicht verstanden. Digitale Transformation ist wie ein längerer Lern- und Entwicklungspfad, den man nicht eben mal schnell mit einem IT-Projekt abwickelt.

« Die Top-4-Themenbereiche und Gründe für digitale Transformationen in KMUs sind: Teamübergreifende Zusammenarbeit, Business Intelligence, CRM und ERP. »

Thema fehlende Überzeugung: Inwieweit zeigt sich das bei den KMUs?

Wenn man die aktuelle Haltung und Überzeugung gegenüber Digitalisierung mit der vor 6 oder 7 Jahren vergleicht – damals haben wir eine Benchmark-Erhebung gemacht, wie bereit Unternehmen für Digitale Transformationen sind –, dann hat sich diese schon merklich verbessert. Auch die Studie zeigt ja, wie bereits erwähnt, eine grosse Innovationsbereitschaft.
Man kann also festhalten: Auf dem Monitor haben sicherlich die meisten Unternehmen – auch KMUs – das Thema Digitale Transformation. Das zeigen auch andere wissenschaftliche Studien. Die Frage ist einfach: Warum, wann und wie?

Liegt das auch an der mangelnden Entscheidungssicherheit?

In jedem Fall. Es stellt sich bei vielen Entscheidern die Frage, ob und wann man denn aus der digitalen Innovation wirklich einen positiven ROI erzielen kann. Man könnte in diesem Zusammenhang auch von einem Produktivitätsparadoxon sprechen. Das haben viele Unternehmen erfahren müssen, die vor Jahren in Ihre IT investiert haben, es sich daraus aber nicht immer und unbedingt ein Produktivitätsfortschritt ergeben hat.
Es ist tatsächlich eine grosse Unsicherheit da zu investieren bzw. in das Falsche zu investieren. Darin zeigt sich deutlich, wie komplex und anspruchsvoll das Thema ist und wie wichtig es eben ist zu trainieren. Man hangelt sich langsam an das Thema ran, bereitet sich vor – denn es ist wie gesagt nicht mit einem Schlag gelöst. Wenn man hingegen eine positive Ausgangsbasis hat, sind die Effekte aus der Transformation deutlich besser und wirksamer. Aber das Denken in diesen so genannten Wirkungskreisen ist leider noch nicht überall angekommen.

D.h. digital zu transformieren bedeutet nicht unbedingt ein sofortiger Produktivitätsgewinn?

Manchmal braucht es Geduld, erste Massnahmen zeigen vielleicht noch keine grosse Wirkung auf die Produktivität. Oft kommt die Beschleunigung mit der Zeit, wenn die verschiedenen Zahnräder nahtlos ineinandergreifen. Die Produktivitätslinie steigt anfangs vielleicht nur langsam, und erst später kommt es zu einem Anstieg. Dessen müssen wir uns bewusst sein, wenn wir digital transformieren. Wir haben es hier oft nicht mit einer linearen Entwicklung zu tun. Und auch das führt natürlich immer wieder zu Unsicherheiten in den Unternehmen.

« Gemäss Umfrage lässt sich festhalten, dass über sämtliche Branchen hinweg in den KMUs ein grosses Interesse für die Digitalisierung und Automatisierung interner Prozesse besteht. »

Was könnten Blockadenlöser für diese Unsicherheiten und Hemmungen sein?

Wenn ich mal ganz direkt sein darf: Es geht in erster Linie um die Persönlichkeitsstrukturen der Entscheider auf oberster Ebene. Da helfen u.a. digital denkende Mitarbeitende, viele äussere Impulse, die das Bewusstsein der Entscheider beeinflussen oder das Bewusstsein für Digitalisierung schärfen können. Aber schlussendlich ist und bleibt es eine unternehmensindividuelle Entscheidung. Und in der Praxis zeigt sich ganz oft – und das weiss man auch aus der Forschung –, dass erst bei einer Krise die Handlungsbereitschaft steigt. Handeln, erst wenn es brennt, ist allerdings bei diesem Themengebiet kein sinnvolles Vorgehen.

Wie entwickelt sich denn das digitale Interesse der Schweizer KMU im Vergleich zu anderen Ländern?

Die Schweizer KMU stehen heute im Vergleich recht gut da. Im internationalen Ranking, das 2021 durchgeführt wurde, stand die Schweiz in punkto Digitalisierungsindex auf Platz 2 hinter Dänemark. Deutschland z.B. steht auf Platz 6. Wie sich allerdings die Veränderungsgeschwindigkeit entwickelt hat, das lässt sich erst in Bezug zu einem weiteren, neueren Ranking erkennen. Ich möchte aber auch betonen, dass der 2. Platz für mich kein Grund ist sich auszuruhen. Die faktischen Unterschiede sind oft kleiner als das Ranking vielleicht suggeriert. Und wenn der «digitale Groschen» erstmal gefallen ist, kann es sein, dass die digitale Welle vieler Unternehmen bzw. grosser Länder so genannte First Mover teilweise überholt bzw. überschwappt.

Viele Unternehmen installieren heute die Funktion eines Chief Digital Officers. Ein guter Einstieg für eine digitale Transformation?

Das kann ein guter Startschuss sein. Neben IT-Management erhält die Digitalisierung eine eigene personelle Zuständigkeit. Das ist auch etwas, was z.B. seitens des VR initiiert werden kann. Dabei ist die Herangehensweise eines CDOs sicherlich viel breiter ausgerichtet wie z.B. die Funktion des CIO.
In erster Linie geht es beim CDO um Standortanalysen, Reifegradmodelle und das Erarbeiten strategischer Digitalkonzepte. Das Erzielen eines gemeinsamen Verständnisses zählt ebenfalls zu den zentralen Aufgaben. Was verstehen wir eigentlich unter digitaler Transformation? Was wollen wir erreichen? Dazu kommt sicherlich das permanente Beobachten der digitalen Trends und Entwicklungen. Also ich würde schon sagen: Ein CDO kann ein guter Start sein für erfolgreiche zukünftige Digitalisierungsinitiativen.

« Die Umfrage zeigte: Insbesondere menschliche Faktoren werden bei Transformationen als Hindernisse betrachtet. »

Was sind die wichtigsten Handlungsfelder im Rahmen der digitalen Transformation?

Die Studie hat gezeigt: Zu den wichtigsten Handlungsfeldern zählen die Verbesserung der teamübergreifenen Zusammenarbeit, die Business Intelligence im Sinne eines effizienteren Umgangs mit Daten zwecks Erzielen von neuen Erlösquellen, CRM bzw. kundenorientierte Prozessoptimierungen sowie die ERP-Systeme.
Was auch immer wieder auftaucht ist die Automatisierung interner Prozesse – wobei ich dazu sagen muss, dass dies eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, um zukünftig konkurrenzfähig zu bleiben. Darin besteht auch kein grosses Risiko, sondern das muss einfach passieren – und zwar permanent.

Gibt es branchenspezifische Unterschiede?

Wir haben in der Studie vor allem drei Branchen untersucht, Energie, Bau und Versicherungen. Es wurde deutlich, dass z.B. die Versicherungsbranche in Sachen digitaler Transformation früher aufgebrochen ist als die beiden anderen. Und hier sticht u.a. die Digitalisierung von Produkten und Services als ein grosses Handlungsfeld hervor.

« Der grösste Nutzen der Beratungsdienstleistung im Rahmen von Digitalen Transformationen wird seitens der befragten KMUs in der Möglichkeit der  Kostensenkungen gesehen (42%). Als weiteren Mehrwert werden die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, die Effizienzsteigerung und die Fehlerquotenreduzierung angesehen. »

Sehr häufig hört man das Argument: Alles läuft super, warum soll ich denn überhaupt digital transformieren?

Davor kann ich nur warnen. Wenn man auf den generellen Trend und aktuelle Forschungen schaut, dann zeigt sich klar, dass es einen hohen Reifegrad in punkto Digitalisierung braucht, um zukünftig konkurrenzfähig zu bleiben. Ich denke, die Argumentation sollte eher genau umgekehrt lauten: Gerade wenn es einem Unternehmen gut geht, sollte man sich diesem Thema widmen, und nicht erst wenn es kriselt. Man weiss ja nicht, wie lange es noch gut geht. Und da wären wir u.a. wieder beim CDO, auch in diesem Kontext den richtigen Zeitpunkt und die richtige individuelle Strategie zu erarbeiten.

Was sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine erfolgreiche Transformation?

Die richtige Strategie, die richtige Personen und eine disziplinierte Umsetzung. Vieles steht und fällt einfach mit den Menschen im Unternehmen. Man muss beginnen und sich auf eine digitale Reise begeben, sich damit beschäftigen. Dann braucht es die richtige Strategie und richtige Personen, ob intern oder extern in Form von Beratern, Experten, Kooperationen mit Startups, Integration ganzer Handlungsfelder ins Unternehmen o.ä. Aber das alles braucht Zeit, darum kann ich nur sagen: Jetzt starten mit der digitalen Reise.

« 43% der Befragten bewerten das Know-How und die Fachkompetenz von externen Transformationsberatern als sehr positive Erfahrung. Die Erfahrung der Berater (27%), neue Ideen/Sichtweisen (25%) sowie das Erhalten eines Big Pictures (25%) sind weitere Indikatoren für den Beizug von externen Transformationsexperten. »

Eine Frage noch zum Abschluss: Was war Ihr digitales Highlight in den letzten Wochen?

Ich lerne gerade Italienisch und habe im Kurs ein Vortragsthema als Prüfungsaufgabe. Dazu habe ich die neue Plattform Chat GBT befragt. Und ich muss gestehen: Das Ergebnis war wirklich umwerfend – ein inhaltlich professioneller vortragsfertiger Fliesstext. Natürlich nutzen auch meine Studierenden Chat GBT für Hausarbeiten und Referate, und das sollen sie durchaus. Nun, meine Prüfungen werde ich diesbezüglich anders konzipieren müssen.

 Frau Back, herzlichen Dank für das Gespräch und die erfolgreiche Zusammenarbeit im Rahmen der Fachstudie.


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