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Im Fachgespräch mit Stefano Trentini - Agilitäts-Pionier der ersten Stunde

Stefano Trentini
Jul 10, 2021 8:25:12 PM

Seit 1. Juli ist Stefano Trentini Managing Partner und Senior Management Consultant bei Project Competence. Es freut uns sehr, mit seiner Person einen weiteren ausgewiesenen Experten in unserem Team begrüssen zu dürfen.

Stefano Trentini war die letzten neun Jahre Leiter Software Entwicklung bei SBB AG und zeichnete sich gleichzeitig verantwortlich für die Agile Transformation der SBB IT. Entsprechend richtet er seinen Fokus auch bei Project Competence u.a. auf den Kompetenzbereich Agilisierung.

Im aktuellen Fachgespräch berichtet Stefano Trentini ausführlich über seine persönlichen Erfahrungen zum Thema Agilisierung, die Potenziale, Erfolgsfaktoren wie auch Chancen und Risiken einer Agilisierung sowie seine ganz persönlichen  Schlussfolgerungen – gemäss dem Motto: «Aglilität ist mehr als bunte Post-its und eine Methodik.».

Herr Trentini, herzlich willkommen bei Project Competence.

Besten Dank. Ich freue mich sehr.

Sie hatten bereits einige Führungspositionen im IT- und Digitalisierungsumfeld inne. Ihre letzte Station war bei der SBB.

Das ist richtig. Ich war zuletzt 9 Jahre bei der SBB und dort verantwortlich für den Aufbau des neuen konzerninternen Software-Engineerings und somit für ca. 900 Mitarbeitende. Als Mitglied der Geschäftsleitung war ich neben meiner Linienverantwortung gleichzeitig verantwortlich für die Agile Transformation der SBB IT, mit der wir die gesamte Organisation und Teile der Abnehmerteams erfolgreich zu einer neuen Zusammenarbeit gebracht haben. Die gewonnen Erkenntnisse möchte ich nun bei Project Competence unseren Kunden zur Verfügung stellen.

Glaubt man Umfragen, dann zählt die SBB heute zu den 5 interessantesten Arbeitgebern im Bereich IT in der Schweiz. Ihr Erfolg?

Ich denke, das Image der SBB im Bereich IT hat sich in den letzten Jahren tatsächlich deutlich verbessert und es freut mich, dass uns das gemeinsam gelungen ist. Das ist gerade auch mit Blick auf die aktuelle Arbeitsmarktsituation eine wichtige Voraussetzung, um weiterhin kompetente IT-Mitarbeitende gewinnen zu können.

Was hat Sie nach den Jahren in Konzernstrukturen dazu bewogen, sich bei Project Competence zu engagieren?

Ich bin ja eigentlich im Dienstleistungsumfeld gross geworden, habe vor meinem Engagement bei der SBB über 20 Jahre als Berater in den Bereichen Software-Engineering, Integration, IT-Prozesse, Firmenaufbau usw. gearbeitet. Daher schätze ich es, in die verschiedenen Situationen der Kunden einzutauchen. Project Competence ist ein Team aus sehr erfahrenen Personen, die alle sehr grosses Knowhow in ihren Fachgebieten mitbringen. Ich bringe meinerseits auch einen Rucksack mit Erfahrungen aus meiner beruflichen Tätigkeit mit, gerade bezüglich der Themen Agilität und Digitalisierung. Mich hat die Zusammenarbeit in einem kleinen kompetenten Team mit erfahrenen Seniors gereizt, und ich freue mich, dass ich nun dieses Wissen im Zusammenspiel mit dem Team an Dritte weitergeben kann.

Könnte man Sie auch als ein Pionier der Agilisierung bezeichnen?

Das müssen andere beurteilen, aber es stimmt: Wir haben bei der SBB die gesamte IT inklusive weitere Business-Einheiten agilisiert; das umfasste mehr als 2'000 Mitarbeitende. Ich denke, wir waren zumindest am Anfang sicherlich pionierhaft unterwegs und wahrscheinlich auch der erste Grossbetrieb in der Schweiz, der so früh und so weitreichend diese neue Denkweise aufgegriffen und eingeführt hat.


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Was sind ganz kurz gesagt aus Ihrer Sicht die grossen Potenziale der Agilität?

Wenn man es richtig umsetzt, macht Agilität eine Organisation deutlich leistungsfähiger und effektiver, eingehend mit substanziellen Kostensenkungen (bei der SBB IT um 20%), einer höheren Innovationskraft und einer gesteigerten Fähigkeit auf Veränderungen zu reagieren. Um jedoch das gesamte Potenzial einer Agilisierung auszuschöpfen, muss man die kulturellen und Führungsaspekte mit einbeziehen. Denn dieses Potenzial ist wesentlich grösser als bei einer rein methodischen Umsetzung.

Sie bewegen sich seit Jahren in dieser Thematik. Was sind Ihre zentralen Erkenntnisse?

Wie gerade schon angedeutet: Eine der zentralen Erkenntnisse ist für mich, dass eine agile Transformation vor allem dann erfolgreich umgesetzt werden kann, wenn agiles Arbeiten als neue Denkweise erkannt und ein vertieftes Verständnis der Grundlagen agilen Arbeitens entwickelt wird. Daraus entsteht eine ganz neue Teamkultur. Agile Organisationen arbeiten anders, denken anders, handeln anders, sind stärker team- und mitarbeiterorientiert, auch stärker produkt- und werteorientiert. Und das funktioniert am besten, wenn von Anfang an die Grundprinzipien der Agilisierung verstanden und idealerweise verinnerlicht werden. Viele Unternehmen starten die Transformation direkt mit einem Prozess-Framework, führen z.B. SAFe ein, haben aber keine agile Kultur entwickelt. In diesem Fall ist die Gefahr gross sich in komplizierten, teilweise auch verwirrenden Prozessstrukturen zu verlieren.

Wie lange dauert ein solcher kulturell-gedanklicher Mind-Shift?

Das kommt natürlich auf die Grösse eines Unternehmens wie auch auf die Ausgangsvoraussetzungen an. Aber wenn es sich um Konzernstrukturen handelt, kann dieser Prozess schon einige Jahre dauern. Was allerdings nicht bedeutet, dass man mit der Agilisierung warten muss, bis ein Zustand X erreicht wird, um die Vorteile zu spüren. Es zeigt sich relativ schnell, dass u.a. Teams schneller, besser und zielgerichteter miteinander arbeiten und das einzelne Mitarbeiter ihr vorhandenes Potenzial viel besser entfalten können. Die Erkenntnis festigt sich dann, dass die Transformation, getrieben vom sich verändernden Umfeld, zum Dauerzustand wird.

Was gilt es zu beachten, bevor ein Unternehmen mit dem Thema Agilisierung startet?

Wie bei jedem Transformationsprozess ist es auch bei dieser Thematik enorm wichtig, dass die Geschäftsleitung, das Management dahintersteht und das auch wirklich will. Das ist bei einer Agilisierung aus mehrfacher Hinsicht entscheidend. Da agiles Arbeiten auch ein verändertes Führungsverhalten erfordert, sollte dementsprechend auch die oberste Führung das Neue leben – oder besser vorleben. Ich würde heute sogar soweit gehen und behaupten, der Kern der Veränderung liegt in dem neuen Führungsverständnis.

Liegt darin nicht auch ein wichtiger Stolperstein, im Ändern des Führungsverhaltens?

Absolut. Agile bedeutet meistens, sich auf ein komplett neues oder anderes Führungsverhalten und eine neue Führungsrolle einzustellen. Und das betrifft das gesamte Kader. Es zeigt sich daher auch, dass die Veränderung durch agiles Arbeiten im Kader am grössten ist. Durch das neue Führungsverständnis erhalten die Kader viel neue Freiräume, die entsprechend zu gestalten sind. Bewährte Führungsmuster jedoch fallen weg. Daran muss man sich zuerst gewöhnen. Auch die Mitarbeitenden können eigentlich nur gewinnen und erhalten in der Regel mehr Entscheidungskompetenzen.

Können Sie ein Beispiel geben?

Ist eine Führungskultur im Unternehmen oder sind einzelne Führungskräfte zum Beispiel stark auf Kontrolle ausgerichtet, dann wird da sicherlich ein grösserer Shift notwendig sein. Denn mit der Agilisierung definiert sich auch das Führungsverständnis, die Führungsphilosophie neu. Demzufolge sind auch neue oder andere Skills gefragt. Viele Entscheidungen werden jetzt neu in den Teams gefällt und das Kader hat vor allem die Aufgabe, für die notwendigen Rahmenbedingungen zu sorgen. In diesem kulturellen Change-Prozess liegt natürlich auch ein gewisses Risiko, denn ich kann es mir als Unternehmen natürlich nicht leisten, dass z.B. eine grössere Demotivation im Kader entsteht. Da sind viel Fingerspitzengefühl und Erklärungsarbeit gefragt. In Summe überwiegen die Chancen allerdings bei weitem.

Wie kann ich eine mögliche Demotivation verhindern?

Wie gesagt, ist es wichtig, im Voraus ein gemeinsames Verständnis und Agreement zu erarbeiten. Gleichzeitig sollte der Prozess auf persönlicher wie auf Team- und Führungsebene mit Trainings und Teamentwicklungen begleitet und die aktuellen Themen und Herausforderungen direkt und konsequent adressiert werden.

Gibt es Bereiche und Teams, die sich mehr oder weniger für eine agile Organisation eignen?

In jedem Fall. Agile Prinzipien sind ein Mittel, um der steigenden Komplexität zu begegnen. In Bereichen, die davon noch nicht betroffen sind, stellt sich die Frage, ob sich der Aufwand und die damit verbundenen Risiken lohnen. In sehr dynamischen Umgebungen ist der Gewinn durch Agilisierung jedoch enorm. Daher sind natürlich gerade IT-, Software-, Forschungs- und Entwicklungsteams prädestiniert für diese Methodik. Trotzdem macht es manchmal auch Sinn Bereiche wie den IT-Betrieb zu agilisieren. Dort ist das Zusammenspiel mit der agilen Fachabteilung und der agilen Entwicklung im Vordergrund. Der Begriff dafür ist BizDevOps und zeigt die ganzheitliche Ausrichtung von agilen Prinzipien, wie z.B. die Prozesse immer über die ganze Wertschöpfungskette bis hin zum Kunden denken.

Ist das nicht eine Herausforderung, wenn im Unternehmen gleichzeitig agile neben nicht agilen Einheiten arbeiten?

Die Schnittstellen reibungslos zu gestalten, ist sicher anspruchsvoll. Das ist auch gerade in unserer Beratungsfunktion eine wichtige Thematik, auf die wir frühzeitig hinweisen, denn dieses Zusammenspiel gilt es seitens des Managements gut zu orchestrieren. Denn es ist in grösseren Unternehmen eigentlich die Regel, dass nicht die gesamte Unternehmung agilisiert wird. Von dem her einmal mehr der Hinweis, bereits im Vorfeld die Bereiche HR, Budgeting und Finanzwesen mit einzubeziehen, um eine gute Zusammenarbeit sicherzustellen.

Mit Ihrem Start bei Project Competence bieten Sie neu einen eintägigen Impuls-Workshop zum Thema Agilsierung an. Worum geht es da?

Wie der Name bereits sagt, geht es darum, zum Thema Agilisierung erste wegweisende Impulse zu erhalten und eine gemeinsame agile Perspektive und Roadmap zu entwickeln. Dabei erkunden wir die Grundlagen agiler Arbeitsweisen, werfen einen Blick auf mögliche Risiken und Chancen und beleuchten, wo und ob Agilität für das Unternehmen ein sinnvoller Lösungsansatz ist. Zudem betrachten wir die individuelle Ausgangslage, wie agile arbeitet das Unternehmen bereits, führen eine Selbstanalyse durch und identifizieren lohnende Ansatzpunkte.

An wen richten sich dieser Impuls-Workshop?

Vordergründig an alle Unternehmen, d.h. vor allem Geschäftsleitung und HR, die sich Gedanken machen zum Thema Agilisierung oder eine Einführung in Betracht ziehen. Es geht in dem Workshop u.a. auch darum, dass sich die Geschäftsleitung im Vorfeld darüber klar wird, was auf sie mit einem Agilisierungsentscheid zu kommen kann.
Wir richten uns mit diesem Workshop-Angebot aber auch an Unternehmen, die bereits erste Schritte eingeleitet haben, konkrete Fragen oder Problemstellungen gestossen sind und wissen wollen: Wie weiter?

Passend dazu gibt es einen weiteren Impuls-Workshop zum Thema «Digitalisierung».

Beide Themen spielen ja ganz eng zusammen. Man könnte auch sagen, die Agilisierung ist der Multiplikationsfaktor für eine erfolgreiche Digitalisierung. Wenn ich heute digitale IT-Mittel in neue Geschäftsbereiche einfliessen lassen möchte, muss die Business-Einheit auch ihr Mindset entsprechend ausrichten – und das kann nur agile sein. Ich behaupte ohne Agilität wird die Digitalisierung sehr viel weniger erfolgreich.

Sprich: Die Zukunft ist agile.

In gewissen Sektoren auf jeden Fall. Die Märkte und Kundenbedürfnisse ändern sich heute immer schneller, die Digitalisierung und Veränderungen gehören zu unserem Alltag. Es ist aus meiner Sicht daher ein Trugschluss zu glauben, diese Entwicklungen machen am Eingangstor eines Unternehmens Halt und man kann so weitermachen wie bisher.

Herr Trentini, herzlichen Dank für die Ausführung. Ich wünsche Ihnen einen guten Start und viel Erfolg.


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